Montag, Juni 27, 2005

 
juhuiii! endlich haben wir auch ein gaestebuch - link im menu <ourtrip>.
freuen uns auf viele, viele eintraege:-))




Donnerstag, Juni 16, 2005

 
wahrscheinlich die schoenste stadt boliviens, wenn nicht suedamerikas. kosenamen reichen von "die weisse stadt amerikas", ueber "die stadt mit vier namen", bis "das athen amerikas". auch wenn die meisten regierungs-koerper ihren sitz nach la paz verlegt haben, bleibt sucre die konstitutionelle hauptstadt boliviens. am 6. august 1825 wurde die unabhaengigkeitserklaerung im casa de la libertad unterschrieben. das hoechstgericht sitzt nach wie vor hier und ab und zu (wie gerade kuerzlich) rueckt die stadt ins zentrum des politischen interessens.


als wir ankamen, war alles wieder ruhig. zu schoen um wahr zu sein! unglaublich schoen auch, fast schon anmutend, die stadt selbst. im zentrum sind alle gebaeude weiss. stattliche, koloniale haeuser, zahllose kirchen, maechtige regierungsgebaeude vergangener tage - geschichte ist allgegenwaertig, zeigt sich von der malerischsten seite. meist mussten wir uns mit einem blick von aussen begnuegen. es war wie verhext, wir hofften entweder zur falschen stunde oder am falschen tag auf einlass. bei iglesia de la merced hatten wir glueck. was aussen verlottert ausschaut, beherbergt erstklassig geschnitzte und vergoldete altaere.
uns gefiel's am besten auf dem dach, wo wir ueber kuppeln laufen und den ausblick auf die weisse stadt geniessen konnten.


lange vor conquistadores und indianern tummelten sich dinosaurier in der gegend. als sich die anden formten, wurden ehemals waagrechte kalksteinplatten zu senkrechten waenden. wind und zeit trugen schicht um schicht des weichen gesteins ab, bis kuerzlich hunderte verschiedener spuren sichtbar wurden. sie stammen von tyrannosauri rex, iguandadons und anderen riesen-echsen (so steht's im guidebuch;-). natuerlich mussten wir das gesehen haben und wirklich: zum ersten mal erkannten wir an einer staedte angeblicher dino-spuren tatsaechlich klar und deutlich spuren! es gab sie also doch, die dinos.


tarabuco ist ein kleiner ort unweit sucres. der sonntagsmarkt eine der groessten touristen-attraktionen des landes. auch wir pilgerten hin. woche fuer woche kommen die bauern aus allen laendlichen ecken in die stadt um ertraege und waren zu handeln. viele sind stolz auf ihre traditionen, kleiden sich so wie seit jeher. einzigartig die monteras, lederne huete die den helmen der spanier nachempfunden sind. uns gefiel der gemuesemarkt am besten. ringsherum waren essens-staende mit speisen und getraenken die gut schmecken, ohne dass man genau weiss, was drin ist. in einer andern ecke wurden emsig coca-blaetter verkauft (zum kauen, wie es sich gehoert) und naturheiler boten eigenartige gluecksbringer und puelverchen in allen farben an.


eine mehrstuendige busfahrt durch atemberaubende berglandschaft brachte uns auf 4090m und nach potosí. hier ist alles "das hoechste". die stadt, der kommerzielle flughafen etc. sie war auch mal "das reichste". der kegelfoermige berg hinter der stadt heisst cerro rico, ist die ertragreichste silbermine der welt. die spanier hatten ihre grosse freude damit. die mine finanzierte das koenigreich fast drei jahrhunderte. ende des 17.  jahrhunderts lebten gut 200'000 leute hier, es gab 80 kirchen und angeblich waren die strassen mit silber gepflastert. potosí war eine der groessten und reichsten staedte der welt (wenn nicht die, stellte sogar london und paris in den schatten). es gab so viel silber, dass die spanier damit eine bruecke ueber den ozean haetten bauen koennen und immer noch welches ueber gehabt haetten, um es dann darueber nach europa zu tragen (so sagt man). weil die indios den spaniern zuwenig effizient waren (obwohl sie coca kauen durften, um muedigkeit, hunger und aengste zu vergessen), wurden millionen von schwarzen sklaven aus afrika herangeschafft. gearbeitet wurde in schichten von zwoelf stunden, in den minen (fern von tageslicht und frischer luft) blieb man vier monate. bis zur unabhaengigkeitserklaerung boliviens 1825 starben ueber 8 millionen afrikaner und indianer. voelkermord! warum muss hier keine wiedergutmachung bezahlt werden!?!


in den minen wird immer noch gearbeitet. silber gibt der berg nicht mehr so viel her, dafuer zink. die minen sind kooperativen, gehoeren indirekt den minenarbeitern selbst. fuer material und ausruestung muessen sie selbst bezahlen. viel geld haben sie nicht, also wird fast alles von hand gemacht. gut 6.000 menschen arbeiten unter bedingungen wie anno dazumal. wer staendig in den minen ist, hat fuenfzehn jahre - dann macht die lunge schlapp. in drei bis vier wochen hat ein minero eine lastwagenladung zusammen (ca. 8 tonnen mineral-haltiges gestein), die er im besten fall fuer umgerechnet usd 250,--, im schlechtesten fuer usd 125,-- verkaufen kann. der unverkaeufliche schutt wird von frauen nochmals durchsucht. auch sie tragen lastwagenladungen zusammen - zweitware. 8 tonnnen in drei monaten, marktwert usd 100,-- abzueglich usd 12,50 fuer den transport zum schmelzofen.


man kann die kooperativen besuchen. manuela fuerchtete sich vor den engen gaengen, ich wagte mich hinein. als erstes bekam ich stiefel und einen overall, war ruck-zuck besser ausgestattet als der einfache minenarbeiter. dann ging's zum markt, kauften coca-blaetter und dynamit - geschenke fuer die mineros. mit dem taxi zum stolleneingang der san gian-mine. zur begruessung ein paar handvoll coca an drei rastende minenarbeiter verteilt, die stirnlampe angezuendet (keine elektrische; irgend ein gas, dessen brennfarbe auch angibt, ob die luft im stollen gut ist), rein ins dunkel. ich war mit meinem guide allein (die proteste der vergangenen woche hatten den touristenstrom versiegen lassen).


gebueckt huschten wir in den berg. es war angenehm warm (in den tieferen stollen sind temperaturen von bis zu 45ºc keine seltenheit, diese sauna blieb mir zum glueck erspart). in einem seitengang trafen wir auf den ersten minenarbeiter. kurz quatschen, ein bisschen coca schenken. ich durfte versuchen, mit hammer und meissel ein bis zu 60cm tiefes loch ins gestein zu hauen - fuers dynamit. schaffte einen halben millimeter.


weiter ging's. kamen bei tio (onkel) vorbei. ein abbild des gottes der finsternis, dem der berg gehoert. einmal die woche versammeln sich die mineros hier um fuer sicherheit und gute funde zu bitten. tio will rauchen, coca kauen und puren alkohol (96%!!!) trinken. ist er versorgt, tun's ihm die maenner gleich. wir machten eine mini-prozedur.


wieder unterwegs. enge, rutschige stollen beinahe senkrecht runter. sah mich schon im dunkeln verschweinden, schaffte es dennoch auf den boden der naechst-unteren stufe. trafen mehr minenarbeiter. einige beim hoch-kurbeln schwerer saecke voller gestein (das zeug muss schliesslich an die oberflaeche geschafft werden), andere beim abmeisseln einer ertragreichen silber-vene. zwei-einhalb stunden verbrachten wir untertags, zweifellos in einer der "angenehmeren" mine des cerro rico. mir reichte es trotzdem, war froh als ich das licht am ende des tunnels sah. so leicht kommen die vielen mineros nicht davon. haette nicht geglaubt, dass heute noch irgendwo auf der welt unter solchen bedingungen gearbeitet wird!


casa real de moneda, die ehemalige koenigliche muenzerei (erstmals 1627 erbaut, 1753 zur heute noch bestehenden imposanten form erweitert), ist ein umfangreiches museum. nebst alten zahlungsmitteln und den maschinen, die sie produzierten, gibt es eine bemerkenswerte kunstsammlung. kennzeichen ist eine breit grinsende maske ueber dem eingangsportal, von der niemand weiss, was sie eigentlich darstellt. einige deuten sie als bacchus, dem koenig des weins, mich erinnerte sie an einen clown.
erkundeten die engen gassen potosís. viele sind extrem verwinkelt, ein versuch die kalten winde zu brechen. auch hier gibt es zahllose koloniale gebaeude und kirchen. im gegensatz zu sucre sind sie mit kraeftigen farben bemalt. am horizont taucht immer wieder cerro rico auf. er brachte reichtum, tragoedien und horror nach potosí; praegt bis heute das gesicht der stadt und die leben vieler menschen.




Samstag, Juni 11, 2005

 
vorgestern stand das land am rande eines buergerkrieges, heute ist wieder alles normal. zum glueck!


dabei hatte die tagung des kongresses alles andere als verheissungsvoll begonnen. vaca diez hatte ernsthafte absichten das praesidentenamt zu uebernehmen, obwohl er von mehreren seiten strikt abgelehnt wurde. um sechs uhr abends hiess es, der kongress sei zu keiner einigung gekommen, die sitzung war auf unbestimmte zeit verschoben worden. die dunklen wolken kamen bedrohlich naeher. den ganzen tag ueber hatten in sucre heftige proteste stattgefunden. die meisten leute marschierten wie gewohnt friedlich, nur die heissbluetigen minenarbeiter konnten es nicht lassen, ab und zu mit dynamit um sich zu werfen - idioten!
die stimmung war angespannt, das ganze land fuerchtete sich vor einer eskalation. fuer zusaetzliche spannung sorgte der tod eines minenarbeiters. er hatte mit kollegen versucht, eine polizei-sperre irgendwo in einem kleinen kaff zu durchbrechen. vier maenner wurden angeschossen, einer erlag seinen verletzungen, angeblich war ein herzversagen todesursache.
angesichts dieser situation konnte auch das militaer nicht mehr ruhig bleiben. bei einer pressekonferenz wurde verkuendet, man sehe sich als letzter beschuetzer von verfassung und ordnung und werde gegebenenfalls einschreiten und die ruhe wieder herstellen.


dann war es zeit fuers abendessen. triste sache, sogar mein zweckoptimismus war verflogen. zwei stunden spaeter (wieder mal vor dem fernseher) traute ich ohren und augen nicht. es wurde berichtet, dass hormando vaca diez auf die praesidentschafts-nachfolge verzichten wollte, der kongress war noch fuer die gleiche nacht einberufen worden. auch parlaments-praesident mario cossio kuendigte vor laufenden kameras an, auf sein recht zu verzichten. die ankuendigungen wurden waehrend der folgenden sitzung in die tat umgesetzt, der praesident des obersten gerichtshofes, eduardo rodriguez veltze, wurde als uebergans-praesident gewaehlt. er kuendigte noch in seiner antrittsrede an, fuer dezember neuwahlen anzuordnen. damit war die erste grosse forderung der protestierenden erfuellt.


zwei tage spaeter sind die blockaden weitgehend beendet, olé!!! der neue praesident will in den naechsten tagen gespraeche mit den verschiedenen oppositionen fuehren. diese fordern nach wie vor die verstaatlichung der erdgas- und erdoel-industrie. die zweite heiss umstrittene frage ist die forderung der reicheren provinzen im osten des landes nach autonomie. sollten sich in diesen punkten in den naechsten wochen keine einigungen abzeichnen, duerfte es noch vor den neuwahlen zu weiteren, heftigen protesten kommen.


wie-auch-immer, fuers erste herrscht wieder ruhe, wir sind gluecklich und erleichtert. beschlossen, den flug nach tarija nach sucre umzubuchen - schliesslich moechten wir noch was vom land sehen; vor allem, die von allen als unbeschreiblich beschriebene salzwueste salar de uyuni.
nach einem gemuetlichen wartetag in cochabamba flogen wir heute nach sucre. es herrscht wieder alltag. busse fahren, flieger fliegen, es gibt treibstoff und nahrungsmittel. die menschen scheinen mindestens so froh darueber wie wir. wir freuen uns, dass unsere reise weitergehen kann!


rueckblickend moechte ich zwei sachen festhalten:
1. es ist erstaunlich, wie friedlich die zahllosen proteste verlaufen sind. angesichts der radikalen forderungen der demonstrierenden keine selbstverstaendlichkeit. klar, ein paar praepotente stein-schleuderer und reifen-anzuender sorgten gelegentlich fuer aufregung und provozierten traenengas-geschosse der polizei. brenzlig wurde es, als die minenarbeiter mit dynamitstangen nach la paz kamen. ihre gewaltbereitschaft war verantwortungslos, haette die situation eskalieren lassen koennen. zum glueck konnte die polizei den grossteil des sprengstoffes beschlagnahmen und schaffte es in der folge, die aufgebrachten massen aufzuloesen (mehr traenengas).
alle seiten schienen auf gewaltlosigkeit bedacht, vergassen zum glueck nie, dass eine eskalation niemandem helfen wuerde. dass dies alles andere als selbsverstaendlich ist, hat eben dieser tage der zwischenfall in aethiopien gezeigt.
2. es ist erstaunlich wie wenig in den westlichen medien ueber die situation in bolivien zu lesen war. wenn dann mal berichtet wurde, waren die informationen oft ungenau, in einigen faellen sogar untolerierbar falsch (es kursierten meldungen von bis zu 70 todesopfern, haarstraeubend!). die berichterstattung nahm erst zu, als das pulverfass zu explodieren drohte - sind nur gewalt und umgebrachte menschen gut genug fuer schlagzeilen?




Donnerstag, Juni 09, 2005

 
gestern war in la paz nicht nur morgens ruhe, sie dauerte den ganzen tag. der grund: heute tagt der kongress in sucre. viele protestierende machten sich von la paz auf den weg in die konstitutionelle landeshauptstadt.


der kongress muss den ruecktritt von praesident mesa akzeptieren. gemaess verfassung waere der vorsitzende des senates, hormando vaca diez, sein nachfolger. er wird jedoch von den arbeitern und indigenen bevoelkerung strikt abgelehnt. von allen seiten (kirche, menschenrechtskommission etc.) wird vaca diez zum verzicht des amtes aufgerufen. wuerde er ablehnen, waere der parlaments-praesident an der reihe. auch er wird kompromisslos-abgelehnt. wuerde auch er verzichten, wurde der vorsitzende des obersten gerichtshofes nachfolgen und in sechs monaten neuwahlen ansetzen. dies gilt als die einzige akzeptierte variante. ob vaca diez auf sein amt verzichten wird, ist mehr als fraglich. heute koennte sich entscheiden, ob morgen in bolivien wieder normaler alltag herrscht oder ob sich das land an den rand eines buergerkrieges begibt.


diese aussichten sind uns nicht mehr geheuer. gestern buchten wir fuer heute einen flug von la paz nach tarija im sueden des landes, nahe der argentinischen grenze. drei uhr in der frueh huepften wir ins taxi und machten uns auf den weg zum flughafen. die nacht ist die einzige zeit, in der taxis nach el alto fahren koennen. mit sonnenaufgang werden die strassenblockaden wieder streng bewacht, sind nicht passierbar. selbst in der dunkelheit mussten wir an zwei blockaden vorbei. war kein problem, der taxi fahrer gab den aufpassern eine handvoll coca-blaetter (werden hier traditionsgemaess gekaut), wir durften passieren. einmal mussten wir trotzdem aussteigen - das steile bergstueck packte das auto nicht, mit weniger gewicht ging's;-)
am flughafen hiess es erstmal warten. wir suchten uns ein fleckchen zwischen den bereits wartend- und schlafenden. endlich sassen wir im flieger. waren erleichtert, als die boing abhob. in cochabamba mussten wir flugzeug wechseln... und weitere fuenf stunden warten. gerade als es zum pre-boarden ging, erschien auf der fluganzeige hinter unserem flug "cancelled". sch***, das darf doch nicht wahr sein. der flug wurde annulliert, weil die luftraum-kontrolleure beschlossen hatten, aufgrund der unklaren ausgangs-situation in sucre in den streik zu treten.


jetzt sitzen wir zur abwechslung in cochabamba fest. die airline hat uns ein zimmer in einem vier-sterne-schuppen besorgt (ein luxus, den wir uns selbst nie goennen wuerden;-). in der stadt scheint alles ruhig und normal; fast koennte man vergessen, inmitten eines landes am scheideweg seiner zukunft zu sein. um sechs uhr ortszeit (in einer stunde) werden neuigkeiten aus sucre erwartet. dann duerfen wir beim flughafen anrufen und uns ueber unser schicksal informieren.
in der frueh hatten wir uns zu frueh gefreut. jetzt heisst's abwarten und auf die vernunft der politiker hoffen ("naives klammern an einen strohhalm" oder "wunder geschehen wirklich"?!?)...




Dienstag, Juni 07, 2005

 
praesident carlos mesa trat gestern abend zurueck. natuerlich reichte dies nicht, um den konflikt zu entschaerfen. der anfuehrer der opposition, evo morales, schlaegt weiterhin radikale toene an. auch die praesidenten des senates und des parlamentes sollen zuruecktreten. der ruecktritt mesas muss erstweil vom kongress genehmigt werden (im maerz dieses jahres wollte er ja schon mal, durfte aber nicht), wozu der kongress tagen muss. dies ist nicht so einfach, zuerst muessen alle abgeordnete den weg durch die blockaden nach la paz meistern. der senatsprasident hat die lage zusaetzlich angeheizt, indem er ankuendigte, dass der kongress erst tage, wenn die proteste aufhoerten. auf der andern seite, will man jedoch erst aufhoeren, wenn man die eigenen forderungen erfuellt sieht. alles nicht so einfach; festgefahren!


so stroemten auch heute wieder zehntausende von der altiplano nach la paz. minenarbeiter kamen in trucks aus oruro und potosi an (sie durften natuerlich die blockaden passieren;-). im zentrum der stadt wurden die trucks von der polizei gestellt. man entdeckte ziemlich viel dynamit und einige waffen. am spaeteren nachmittag versuchte die polizei die massen mit massivem traenengas-einsatz aufzuloesen. es gelang zumindest teilweise - wahrscheinlich bis morgen, wenn die landbevoelkerung aufs neue von el alto in die hauptstadt stroemen wird...


nach wie vor verliefen die proteste bemerkenswert friedlich. angesichts der vielen menschen beinahe ein wunder. jedoch haben wir das gefuehl, die demonstranten seien wesentlich mehr emotional aufgeladen. vielen steht der frust ihrer armut ins gesicht geschrieben. wut macht blind, und das ist gefaehrlich. ich frage mich, wie viele der marschierenden wissen, was sie wirklich wollen. klar, mehr erloese aus den natuerlichen reserven und keine korrupten politiker mehr. doch haben sie einen vorschlag, wie diese ziele erreicht werden sollen?
steine werfen, autoreifen anzuenden, schimpfwoerter durch die gassen bruellen ist einfach. die masse beschleunigt sich selbst. noch sind die gewaltbereiten eine ausnahme (auch wenn sich die gewalt-geilen medien fast ausschliesslich auf sie konzentrieren), fuer die grosse mehrheit heisst das gebot der stunde friedlich marschieren. marschieren bis die von tag zu tag mehr gehasste politische-elite aus der macht protestiert ist. hoffentlich setzt das kochende blut keine kuehlen koepfe ausser gefecht und laesst aufrichtige kompromiss-bereitschaft der regierung als solche erkennen und wahrnehmen.
die situation steht auf des messers schneide. ich glaube, die gefahr besteht darin, dass die protestierenden in den naechsten tagen keine veraenderungen sehen werden (wie auch, wenn alles blockiert und festgefahren ist), was die wut anschwellen lassen wird. vielleicht auch die frustration, weil man selber nicht weiss, wie weiter, was man naturlich nicht zugeben kann und deshalb um so wuester die gegen-seite beschimpft. ein teufelskreis der irgendwann durchbrochen werden muss - die frage lautet: wie?


wir verbrachten einen relativ ruhigen tag. nach mittag sassen wir im zimmer, verfolgten die bilder der umliegenden strassen und billige amerikanische serien am tv. waren die strassen gerade mal leer von demonstranten und polizisten, gingen wir spazieren, schauten jugendlichen beim fuss- und volleyball spielen zu (leere strassen wollen genuetzt werden, kommt schliesslich nicht alle tage vor), kauften ein paar snacks von indio-frauen (die aus dem nichts erschienen waren und alles moegliche anboten, als waere es ein tag wie jeder andere).
im fernsehen wird immer wieder berichtet, dass es in la paz kaum noch treibstoff und nahrungsmittel gibt. zum glueck ist es einmal mehr weniger schlimm, als es ueber die bildschirme flimmert. treibstoff ist zweifellos ein grosses problem (doch wen stoerts, wenn man eh festsitzt), essen ist immer noch relativ einfach aufzutreiben (schon wichtiger). eine auffaellige aenderung gab es: am strassenrand werden seit gestern neuerdings thunfisch-dosen und cracker feilgeboten;-)


mal schauen wie's weitergeht. irgend ein sturschaedel muss der erste sein der nachgiebt und der zweite aufrichtig genug dies anzuerkennen. kindskoepfe!




Montag, Juni 06, 2005

 
seit wir in bolivien sind, geht es drunter und drueber. nicht bei uns, nein im land selbst. wir haben eine der intensivsten protestwellen der vergangenen jahre fuer unseren besuch ausgewaehlt. keine angst, wir sind nicht in gefahr. bisher ist alles sehr friedlich verlaufen - von ein paar traenengas-salven abgesehen.


seit mitte mai stehen proteste an der tagesordnung, ebenso wie strassenblockaden. diese sind es, die uns am meisten betreffen. anfangs hatten wir glueck. nach einem tag warten fuhr ein bus von santa cruz nach la paz, wir kamen gerade rechtzeitig zum festival "el gran poder" am 21. mai an. dann fuhren keine busse mehr. also trekkten wir via choro trek runter nach coroico in den yungas, von dort ging's per bus weiter nach rurrenabaque. drei tage verbrachten wir bei tieren in der pampas, nochmals drei im bolivianischen amazonas. dies duerfte reichen, dachten wir, zurueck nach la paz wo auch unser gepaeck war. es reichte nicht. die blockaden dauerten immer noch an. in rurrenabaque mussten wir einen tag auf unseren flug warten, angeblich hatten die blockaden auch treibstoff fuers flugzeug blockiert (busse fuhren eh keine mehr, gleiches problem). wie-auch-immer, gestern kamen wir in la paz an. sonntag, es herrschte relative ruhe. heute gingen die proteste weiter. die leute der umliegenden doerfer marschierten in endlosen demonstrations-zuegen in die hauptstadt. so was habe er noch nie gesehen, meinte ein mitarbeiter unseres hotels. es gab kundgebungen, aufgestachelte mengen versuchten den abgeriegelten platz vor dem regierungspalast zu stuermen, was logischerweise mit traenengas beantwortet wurde. am spaeten nachmittag scheint die lage etwas ruhiger, alle warten auf eine ansprache des praesidenten - oder hat er schon gesprochen? das ist unser hauptproblem: immer wenn man jemanden fragt, gibt es eine andere antwort. was wirklich sache ist, scheint niemand zu wissen.


wir werden noch einen tag auf die versprochene entspannung und normalisierung hoffen. wenn's damit nicht's wird, fliegen wir nach sucre und hoffen, dass es dort etwas normaler zugeht. also, keine sorgen machen. hier ist es ruhiger als es tv-berichte glauben machen wollen.


warum der ganze rummel?
im zentrum stehen boliviens erdgas-reserven. es sind die zweitgroessten des kontinenten (nach venezuela). sie sollen helfen, das arme land etwas auf vordermann zu bringen. vor ein paar jahren wurden vertraege mit internationalen firmen abgeschlossen. sicherlich war korruption im spiel, schliesslich geht's um viel geld. im laufe der zeit hat die arme bevoelkerung angst bekommen, dass sie von den reichen bodenschaetzen einmal mehr nichts haben wird. es gab proteste, welche im maerz dieses jahres zu einer anhebung der abgaben auf 32% plus einer versteuerung von 18% fuehrte. dies ist den unteren schichten nicht gut genug, sie verlangen abgaben von 50%. es wird von wieder-verstaatlichung gesprochen. dies geht natuerlich den internationalen konzernen zu weit, sie drohen bolivien mit immensen schadenersatz-forderungen, falls fruehere vertraege nicht eingehalten werden. das ganze ist ziemlich kompliziert, es faellt schwer einen neutralen durchblick zu bekommen. wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es zwei standpunkte die trotz aller schwierigkeiten vereint werden muessen:
1. bolivien braucht die internationalen konzerne um die immensen erdgas-vorraete lukrativ international zu vermarkten.
2. die arme, vor allem laendliche und urspruengliche bevoelkerung hat genug von leeren versprechungen, will endlich eine verbesserung ihrer schwierigen situation sehen.


die forderung ist verstaendlich. bolivien ist reich an bodenschaetzen (wie fast alle suedamerikanischen laender), trotzdem eines der aermsten laender der welt. viel geld fliesst in die prall-gefuellten taschen westlicher konzerne - zu uns. klar ist die forderung nach einer 50%-igen abgabe uebertrieben, doch was sonst soll ein volk tun, das wiederholt belogen und ausgebeutet wurde (es begann mit der pluenderung von gold und silber in der kolonialzeit; ging weiter mit als entwicklungs-hilfe getarnten projekten, von der weltbank finanziert, z.b. bekamen die einwohner von el alto, der armen nachbarstadt la paz's, statt den versprochenen wasserleitungen fuer die haushalte von einem franzoesischen konzern verdoppelte wasserkosten praesentiert, ohne etwelche verbesserungen versteht sich).
haben die demonstranten eine andere wahl als radikal zu sein? vielleicht muessen auch die internationalen konzerne ueber die buecher; vielleicht muessen auch wir bereit werden, fuer ressourcen aus sogenannten dritt-welt-laendern faire preise zu bezahlen; vielleicht haben wir lange genug auf kosten anderer gelebt; vielleicht muessen auch wir auf die strasse, um gegen das reicher werden der reichen in unserer gesellschaft auf kosten von uns und menschen-weit-weg zu protestieren; vielleicht gibt es was zu tun...


die lage in bolivien laeuft wahrscheinlich auf den ruecktritt von praesident mesa hinaus (er wollte ja schon im maerz zuruecktreten, durfte aber nicht). es wird sich weisen, ob die radikale opposition an die macht kommt und wie wort-treu sie in der neuen situation sein wird. bolivien erlebt eine spannende zeit. extrem wichtig fuer die zukunft des landes, vielleicht sogar des gesamten suedamerikanischen kontinenten und darueber hinaus.


so leute, soviel von mir. wuerde mich interessieren, was ihr zur thematik denkt, wie man das zu hause sieht, ob man ueberhaupt darueber spricht - vielleicht postet ja der eine oder andere seine meinung.




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